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"In LIFE ON EARTH geht es um das Leben an einem Ort, die Anekdoten und Erfahrungen, die entstehen, wenn Leute sich zufällig treffen; die Geschichten vom Reisen und der holprigen Suche nach Heimat" (CABULA 6)

Macondo

Macondo ist eine ungewöhnliche Siedlung am Stadtrand Wiens zwischen Flughafen, Autobahn und Fantasie, benannt nach einem fiktiven Dorf aus dem Roman Hundert Jahre Einsamkeit von Gabriel Garcia Marquez. Flüchtlinge von aktuellen Kriegsschauplätzen aus allen Teilen der Welt treffen auf BewohnerInnen, die hier seit 1956 ihren Heimatort gefunden haben.

GESCHICHTE MACONDOS
Die 1915 fertig gestellte Kavallerie Kaserne der k.u.k. Landwehr war der letzte große Kasernenbau der Monarchie in Wien. Nach dem Ersten Weltkrieg wurde die Kaserne vom Bundesheer als Kaserne und Depot benutzt. Während des zweiten Weltkriegs war hier die Deutsche Wehrmacht und in der Besatzungszeit die Rote Armee untergebracht.


1956 kam die erste große Flüchtlingswelle aus Ungarn in die Kaserne, gefolgt von Tschechoslowaken im Jahre 1968. In den frühen Siebziger Jahren wurde eine Reihe von einstöckigen Reihenhäusern in den Wäldern rund um die Kaserne gebaut, um in erster Linie vietnamesische Boat People und vor Pinochet geflohene Chilenen unterzubringen.

1974 wurde etwa die Hälfte des Grundstücks verkauft und dort das Huma-Interspar Einkaufszentrum errichtet.

In den Neunziger Jahren kamen große Gruppen von Flüchtlingen aus dem früheren Jugoslawien und auch immer wieder Flüchtlinge aus Afrika und Lateinamerika. 

1998 wurden als Teil der Wiener Integrationspolitik vier neue Gebäude errichtet. Derzeit leben Menschen aus über zwanzig Nationen in der Siedlung, darunter noch viele der Erstankömmlinge - Ungarn, Tschechoslowaken, Vietnamesen und Chilenen. Zusätzlich leben nun auch viele Flüchtlinge mit Asylstatus aus Tschetschenien, Somalia, Afghanistan, Kamerun, Iran, Irak, Libanon, Kongo und aus Bolivien hier – um nur einige zu nennen.

CABULA6 IN MACONDO
Die internationale Performance- und Film Company CABULA6 hat sich als Teil ihres langfristigen Kunstprojekts Life on Earth, einer Co-Produktion von CABULA6, Tanzquartier Wien und der Crespo Foundation, von September 2008 bis September 2009 in einer von der Republik Österreich zur Verfügung gestellten Flüchtlingswohnung in Macondo niedergelassen. Von der Bundesimmobiliengesellschaft erhielt sie zudem ein Stück Land – einen früheren Garten – am Rande eines Fußballfeldes. Dort stellten die Mitglieder von CABULA6 mit Hilfe ihrer Nachbarn einen Transportcontainer auf, der zum Begegnungsort für geladene Künstler, CABULA6 und die BewohnerInnen Macondos wurde.

Diese zwei Orte - Container bzw Garten und die Wohnung - waren die Hauptdrehpunkte des Projektes Life on Earth, von denen aus CABULA6 eine Reihe von Workshops, Präsentationen, Ausstellungen, offiziellen und inoffziellen Meetings und Performances initiierte.

Hauptziel der Aktivitäten war es, die Wahrnehmung Macondos zu verändern: Weg von einem Ort, an dem Hilfe benötigt wird - hin zu einem Platz mit einer bemerkenswerten und reichen Geschichte, der selbst ein starkes und realisierbares Modell für eine bereits bestehende multikulturelle Gesellschaft in Österreich und Europa darstellen kann. Im Mai 2009 gipfelte die Arbeit von CABULA6 in einer Performance im Tanzquartier Wien.

VERÄNDERUNGEN

Das Kardinal-König-Integrationswohnhaus, das seit 1998 eine zentrale Betreuungsfunktion in diesem Areal innehatte, wurde im September 2009 geschlossen. Ende 2010 wurde das Gebäude als Familienanhaltezentrum des Innenministeriums wiedereröffnet.

Im Jahr 2009 wurden die bestehenden Gärten in eine Kleingartenzone umgewidmet und mit Mieten belegt.
Während die ersten SiedlungsbewohnerInnen noch unbefristetes Wohnrecht in Macondo hatten bzw bis heute haben, dürfen die Neuankömmlinge nicht länger als fünf Jahre in Macondo bleiben. Danach müssen sie in eine Wohnung in der Stadt übersiedeln. Das kurzfristige Wohnrecht und die damit verbundene stetige Veränderung der BewohnerInnenstruktur machten es zunehmend zusätzlich schwierig, die selbstorganisierte private Gartenkultur, die seit den 1950iger Jahren den Ort prägte und den Nährboden für ein gutes nachbarschaftliches Verhältnis zwischen den einzelnen Communities darstellte, aufrechtzuerhalten.

Zur bereits sehr heterogenen BewohnerInnenstruktur kommt vor allem seit dem letzten Jahr noch eine weitere Gruppe von Anrainern hinzu: Neue MieterInnen, die außerhalb Macondos wohnen, pachten Gartenflächen von der BIG (Bundes Immobilien Gesellschaft), um sie als private Rückzugsorte in der Freizeit zu nutzen. Die Erwartungshaltung dieser temporären Anrainer unterscheidet sich vielfach von den Bedürfnissen der BewohnerInnen Macondos.

LIFE ON EARTH NACHBARSCHAFTSGARTEN
ein Garten für alle in Macondo

Ende 2009 wurde im Rahmen von Life on Earth die Idee eines Gemeinschafsgartens in Macondo geboren. Die Projektleitung wurde von CABULA6 an den Verein Gartenpolylog übergeben und der Garten wurde Anfang 2010 eröffnet.

Der Nachbarschaftsgarten Macondo soll dazu beitragen, die entstandenen Lücken wieder zu füllen: Kontinuität in einer flüchtigen Umgebung und Raum für einen fruchtbaren interkulturellen Austausch in- und außerhalb Macondos schaffen und die Kreativität und Eigeninitiative und somit Verantwortung für das gemeinsame Areal bei den unterschiedlichen Gruppen von BewohnerInnen anregen.

Macondo: 1110 Wien, Zinnergasse Busstation 73A/ Kaserne
Karte