...

"In LIFE ON EARTH geht es um das Leben an einem Ort, die Anekdoten und Erfahrungen, die entstehen, wenn Leute sich zufällig treffen; die Geschichten vom Reisen und der holprigen Suche nach Heimat" (CABULA 6)

Dienstag, 20. Dezember 2011

GÄRTNERINNEN - Interviewreihe Julia Rode: REBEKKA

Rebekka aus Rumänien
Ich bin bei Maria, einer Bewohnerin von Macondo, in ihrem Kleingarten zu Besuch und trinke türkischen Kaffee. Wir haben eben unser Gespräch über den bevorstehenden Winter beendet, da gehtdie Gartentür der angrenzenden Parzelle auf und die Nachbarin von Maria, Rebekka, kommt in ihren Garten. Sie ist mit dem Interview gleich einverstanden und lädt mich ein, auf ihr gepachtetes Stück Land zu kommen. Wir nehmen an ihrem Tisch Platz und beginnen zu plaudern.
Rebekka kommt aus Rumänien. Sie ist seit dem Jahr 1989 in Macondo. Gemeinsam mit ihrer Schwiegermutter sind die beiden Frauen vor dem kommunistischen Regime in Russland geflohen.
Rebekka hat aus ihrer ehemaligen Heimat Erfahrung mit dem Gärtnern mitgebracht. Ihre Eltern hatten eine großen Nutzgarten und Rebekka half bei der Bewirtschaftung. „Was war hier, bevor du diesen Garten in Macondo angelegt hast? Wie hat es hier ausgesehen?“, frage ich sie. Bevor das Stückchen Garten von ihr angelegt wurde, war auf der Fläche ein Spazierweg und dieser musste frei bleiben. Die ursprüngliche Größe ihrer Parzelle war demnach kleiner als die jetzige. Jedoch war die Lage des Gartens immer die gleiche.
In den 90iger Jahren hatte sie mit der Bewirtschaftung ihres Gartens begonnen.
Rebekka hat damals im Innenministerium angerufen, um zu erfragen, ob es möglich wäre, sich ein Stück Land zu nehmen, um es für die eigenen Zwecke zu verwenden. Das war in Ordnung. Der Verwalter dieser Flächen ist einmal im Monat gekommen, um zu kontrollieren, ob alles passt. Die Abmachung war in mündlicher Form, das hat allen Beteiligten genügt.
Rebekka schildert die Wichtigkeit des Gärtnerns. Auch für ihre Schwiegermutter war es damals von großer Notwendigkeit einen Platz im fremden Land zu haben, der genutzt und bewirtschaftet werden konnnte. Dann kam eine Eigentumsänderung der Flächen in Macondo und die neue Eigentümerin wurde die Bundesimmobiliengesellschaft.
Rebekka hatte damals einen Brief bekommen, in dem ihr mitgeteilt wurde, dass man sich überlegen sollte, ob man weiterhin den Garten, den man schon hat, bewirtschaften möchte. Und
wenn nicht, müsse man die Flächen innerhalb von zwei Wochen räumen. Mit Gartenhütten,
mit allem.
„Das war wie eine Schocktherapie für mich“, erzählt sie. In so kurzer Zeit die Entscheidung zu treffen, war für sie sehr schwierig. Anfänglich hatte die rumänische Frau sich überlegt, dass sie nicht zahlen würde. Und dann hat einer der Betroffenen angefangen zu zahlen und damit war der Widerstand gebrochen; denn, wenn einer zahlt, müssen alle zahlen.
Rebekkas Garten ist 209 Quadratmeter groß, sie bezahlt 753€ im Jahr. Und hat einen Pachtvertrag auf zehn Jahre. Sie erzählt, dass sich die Quadratmeterkosten auf 3,60€/qm belaufen. Und rechnet mir vor, dass der größte Teil des Geldes für die Verwaltung verwendet wird. Rebekka macht ihrer Unzufriedenheit Luft, indem sie mir mitteilt, dass die ganzen Versprechungen, die ihr von den Eigentümern gegeben wurden, nicht eingehalten werden. Der Baumschnitt ist nach wie vor fällig, das Mobiclo nicht aufgestellt und der versprochene Mistabtransport hat nie stattgefunden.
Der Garten von Rebekka ist liebevoll gestaltet mit einer Gartenhütte, Blumen, selbst angelegten Beeten und einer Laube. Sie baut Tomaten, Von einer speziellen Pflanze, die in der Nacht riecht, erzählt sie stolz. Die hat ihre Schwiegermutter aus Rumänien mitgebracht. Der Duft birgt Erinnerungen an die verlassene Heimat. Sie nennt sie „Königin der Nacht“; es ist eine Tabakpflanze. Die Gärtnerin kommt jeden Tag in ihren Garten, es ist ihre Erholung von der Arbeit. „Und wenn es nur eine Stunde ist“, sagt sie. Hier findet sie Ruhe und die Gartenarbeit entspannt sie. Rebekka ist sehr froh, dieses Stück Garten zu haben. Denn nur in der Wohnung zu sein, kann und will sie sich nicht vorstellen.
Rebekka schwört auf ihre gute Nachbarin Maria. Die beiden Frauen gärtnern schon einige Jahre nebeneinander. Und nicht nur das, sie helfen sich gegenseitig mit Gießen, tauschen Gemüse,
Früchte und Samen.
„Wie wird es werden in Macondo“, frage ich sie. Rebekka meint, es würde immer nur schlimmer werden in Macondo, und, „wenn es Veränderungen gibt, dann schlechte“, fügt sie hinzu. Rebekka wohnt in einem der ehemaligen Kasernengebäuden. Dort stehen viele Wohnungen leer.
Durch die kurzfristigen Mietverträge kommt es zu einem raschen BewohnerInnenwechsel und Rebekka beschwert sich über den Mist, der immer übrig bleibt, wenn die Menschen gehen. Und
über die neuen MieterInnen, die so laut wären und kein Benehmen hätten.
Das beste wäre, meint Rebekka abschliessend, wenn es keine Verträge geben würde. Dann könnte sich jeder, der interessiert wäre, nach einem Stück Garten umschauen. Und auch die Flächen, die momentan so stark verwildert sind, würden wieder gepflegt werden, weil die

GÄRTNERINNEN - Interviewreihe Julia Rode: TUBA

Wir treffen Tuba für unser Gespräch beim Container des Nachbarschaftsgartens. Sie hat ein schwarzes Kopftuch über ihre langen, dunklen Haare gebunden und trägt eine dicke Winterjacke.
Es ist Winter und Macondo ist leergefegt, nur wenige Menschen sind zu sehen.
Tuba wohnt in den Laubenganghäusern, in den Gebäuden des Österreichischen Integrationsfonds im obersten Stockwerk. Der Mietvertrag für die Wohnung ist auf drei Jahre befristet. Sie wohnt mit ihrer großen Schwester, ihren beiden Brüdern und den Eltern in der Wohnung. Tubas Mutter macht einen Deutschkurs und ihr Vater arbeitet im 14. Bezirk. Die Kinder gehen in die Schule.
In der ersten Zeit, als Tuba nach Macondo gekommen ist, hat sie öfter auf dem Spielplatz, der sich vor ihrem Wohnbau befindet, gespielt. Einmal ist Lisa vom Verein Gartenpolylog dort aufgetaucht und hat die Kinder gefragt, ob sie Lust zu malen oder spielen hätten. Tuba hatte Lust und ist zum Container mitgegangen. Das war im Jahr 2010. Danach ist sie mit anderen Kindern wieder gekommen, diesmal um zu tanzen.
Und das nächste Mal, das war in diesem Jahr, sind sie gekommen - um zu bleiben. Denn da waren Yara und David – und ein Garten!
„ Wir haben hier einen Garten, wenn ihr wollt, könnt ihr den bepflanzen!“, schildert Tuba die Aufforderung vom Verein Gartenpolylog. Tubas Mutter hatte Lust zu gärtnern, so hat sie zehn Euro für den Schlüssel bezahlt und dann haben beiden angefangen anzubauen. Sie sind die einzigen in der Familie, die sich dafür interessieren. Tubas Schwester kommt selten in den Garten und ihre Brüder interessiert die Gartenarbeit nicht. Ihr Vater war noch nie im Nachbarschaftsgarten. Tuba und ihre Mutter bauen vorwiegend Koriander und Minze an. Denn das brauchen sie für die tägliche Küche. Tubas Mutter hat mir schon einige Büschel vom Koriander geschenkt, sie bauen die Kräuter flächenmäßig an und haben guten Ertrag. Aber auch Gurken, Tomaten, sogar eine Kartoffelpflanze haben sie versucht zu kultivieren. Dafür ist das Beet aber zu klein, deshalb haben sie die Kartoffelpflanze wieder rausgenommen.
Für das nächste Gartenjahr hat Tuba schon einige Pläne. Sie denkt dran, Pflanzen zu setzen, die weniger Platz als Tomaten und Gurken benötigen. Auf alle Fälle ist sie wieder beim Nachbarschaftsgarten dabei.
Tuba spricht sehr gut deutsch. Als sie vor zwei Jahren von Pakistan nach Österreich gekommen ist, konnte sie kein Wort Deutsch. Das hat sich schnell geändert, wie wir feststellen. Ihr Vater, der schon ein paar Jahre vor ihnen nach Wien gegangen ist, hat ihr Deutsch beigebracht.
Das Zeugnis ist voller Einsen, wie Tuba uns stolz erzählt. Sie ist neun Jahre alt und wird nächstes Jahr ins Gymnasium gehen. Tubas Mutter kann auch Deutsch sprechen.
„Der Austausch mit den anderen GärnterInnen trägt dazu bei, dass ihre Sprachkenntis besser wird“, meint Tuba.
Wenn sie es sich aussuchen könnte, würde Tuba gern in Macondo, in ihrer Wohnung im Laubengangebäude und bei ihrem Beet bleiben. Die Familie muss allerdings im übernächsten Jahr umziehen, da der Mietvertrag ausläuft. Sie wollen sich ein Haus suchen, das etwas größer als die jetzige Wohnung ist, erzählt Tuba. Und wenn es nicht so weit weg ist, sich im 11. Bezirk befindet, dann würden die beiden Gärtnerinnen in der Familie sehr gerne weitermachen mit dem Gartenbeet.
Man merkt während dem Gespräch, wie wichtig der Garten dem Mädchen ist. Und wie stolz sie von ihren Erfahrungen erzählt. Tuba und ihre Mutter waren einer der ersten Nachbarschaftsgärtnerinnen, jetzt hat sich die Gruppe schon vergrößert. „Ehrlich gesagt“, meint Tuba, „will ich nicht, dass noch mehr Menschen zu uns dazu kommen. Ich brauche nämlich den Platz für meine Pflanzen.“ Tuba hat also viel vor im Garten.
Von den Leuten, die in den umliegenden Gebäuden leben und in den Gärten arbeiten, kennt Tuba Josè, der ihnen oft hilft und ihnen manchmal Wasser gibt, wenn der Nachbar wieder alles verbraucht. Mit Maria, einer Bewohnerin Macondos, ist sie befreundet. Von ihr bekommt Tuba gelegentlich Samen, die das Mädchen gut aufbewahrt. Es sind sogar Okrasamen dabei. Und eine Pflanze, die so ähnlich schmeckt wie Löwenzahn hat sie von Maria zum Verkosten bekommen.
Tuba hat viele Freundinnen in Macondo, in ihrem Haus und in der Klasse. Sie lacht und erzählt, dass fast die gesamte Zinnergasse in die Volksschule am Münnichplatz geht. Die ist nicht so weit weg, nur zwei Stationen mit dem Bus. Manchmal nimmt Tuba den Bus und dann wieder geht sie zu Fuß in die Schule.„Je nach Wetter und Laune“, erzählt sie.
Zuhause wird Afghanisch und Deutsch gesprochen. Mit ihrer Mutter spricht sie „ihre“ Sprache, also Paschtu. Tuba erzählt, dass sie schon besser Deutsch als ihre Muttersprache spricht. Das Mädchen ist in Pakistan geboren und hat das Land per Flugzeug verlassen, wie sie 6 Jahre alt war.
Tuba möchte nicht in ihr Heimatland zurück. Sie erzählt von ihrer Verwandtschaft, die sich in Deutschland, Kanada und England befindet. In Deutschland war Tuba vor kurzem. „Es ist so ähnlich wie hier“, meint sie.
Am liebsten hält sich Tuba im Garten, bei ihrem Beet auf. „Da ist es ruhig, es gibt nicht soviele Kinder wie auf den Spielplätzen“, begründet sie ihre Wahl des Lieblingsorts. Aber in der kalten Jahreszeit mag sie nicht soviel im Freien sein. Da ist sie lieber in ihrer Wohnung und bei dem Computer, den die Familie besitzt. Sie haben natürlich auch Internetzugang, den Tuba ausgiebig nützt, wenn die Brüder noch nicht zuhause sind. Denn dann muss sie ihren Platz am Computer räumen.
„Es ist kalt geworden“, meint sie mit ihrer ruhigen Art, wegen der ich geglaubt hätte, sie wäre schon viel älter, „ich will erst wieder nächstes Jahr kommen“.